Das NMT-Netz

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Original-Bericht aus der Funkschau Ausgabe 2/1982:



H.-J. Schwarz

Ein Autotelefon für Skandinavien

Eines der modernsten Autotelefonnetze der Welt wird seit Herbst 1981 in den Nordischen Ländern nach und nach in Betrieb genommen. Planung und Entwicklung dieses Autotelefonnetzes wurden ab Mitte der siebziger Jahre durch die nordischen Postverwaltungen in enger Zusammenarbeit mit der Industrie durchgeführt. Die Teilnehmergeräte für dieses neue „Nordic Mobile Telephone", abgekürzt NMT, wurden speziell für dieses Mobilfunknetz entwickelt.

Da in Norwegen die meisten Autotelefone der Welt mit Anschluß an das öffentliche drahtgebundene Telefonnetz betrieben werden, entschloß sich Siemens zusammen mit ihrer norwegischen Landesgesellschaft ein NMT-Teilnehmergerät zu entwickeln.

Die Berücksichtigung ergonomischer Gesichtspunkte stellt eine wichtige Voraussetzung für das richtige Bedienen und damit die Akzeptanz der Funkgeräte von Seiten des Kunden dar. Dies bedeutet, daß das Autotelefon zumindest ebenso leicht bedienbar sein muß wie das übliche Fernsprechgerät zu Hause oder im Büro; darüber hinaus sollte die Bedienung des Autotelefons so gestaltet sein, daß der Fahrer während des Aufbaus einer Fernsprechverbindung möglichst wenig vom Straßenverkehr abgelenkt wird.

Ein anderer Schwerpunkt war die Anwendung von modernster Technologie, um die Übertragung von Sprache und Daten für die Signalisierung mit technisch vertretbarem Aufwand zu ermöglichen. Außerdem sollte das Gerät robust und für den Einsatz unter den in den nordischen Ländern herrschenden Umwelteinflüssen besonders geeignet sein. Zur Erleichterung des Service wurden eine steckbare Modultechnik und ein Diagnoseprogramm vorgesehen.

Zugunsten der Fahrsicherheit

Bereits die Planung durch die Postverwaltung Jegte eine einfache und eindeutige Bedienungsmöglichkeit fest. Der Industrie ließ man für Design und Technik des Bediengeräts bei der Verwirklichung dieser Forderung große Freiheiten.

Während der Projektierung des Bediengeräts konnte aufgrund von zahlreichen Untersuchungen an den üblichen Automodellen festgestellt werden, daß an den Armaturenbrettern fast aller Modelle für die Montage eines Bediengeräts nur sehr wenig Platz zur Verfügung steht. Diese Voraussetzung führte zwangsläufig zu einem sogenannten Bedienhörer (Bild 1), bei dem Zifferntastatur, Zifferanzeige, Gabelschalter, Wecker und Signallampen in dem Telefonhörer integriert sind. Der Funkteil einschließlich Duplexfil-ter sowie der Steuerteil wurden in einein getrennten Gehäuse untergebracht, das im Kofferraum oder unter dem Autositz installiert werden kann (Bild 2). Zur Erhöhung der Verkehrssicherheit für den Fahrer wurde zusätzlich zu der ursprünglichen Forderung, die Ziffern ausschließlich im aufgelegten Zustand eingeben zu können, eine Alternative entwickelt: Der Bedienhörer wird mit einer Hand gehalten, und die Ziffern werden mit dem Daumen (Einhandbedienung) eingetastet. Die Anordung der Zifferntastatur, die Formgebung der Tastenköpfe und die Lage der Anzeige ähneln den den meisten Benutzern vertrauten Taschenrechnern. Ein weiterer Vorteil der alternativen Bedienungsmöglichkeit, nach dem „Abheben" wählen zu können, besteht darin, daß die Bedienung des Autotelefons nun auch von allen anderen Mitfahrern - also auch von den Rücksitzen aus - vorgenommen werden kann, ohne daß hierbei der Fahrer in die Bedienung des Telefons eingeschaltet werden muß und somit von seiner eigentlichen Aufgabe abgelenkt wird.

NMT Hoerer

Bild 1. Alle Bedienelemente des Autotelefons sind in dem sogenannten Bedienhörer untergebracht; dadurch kann das Gerät auch von Personen bedient werden, die nicht in unmittelbarer Nähe der Hörerablage sitzen (Foto: Siemens)


Moderne Technologie

gibt hohen Bedienungskomfort


Das NMT-System bietet von der Netzseite auch im internationalen Vergleich einen hohen Bedienungskomfort. Die Auswahl von Kanälen oder Funkbereichen, Beurteilung der Empfangsfeldstärke usw. durch den Autotelefonbenutzer entfallen. Die NMT-Zentrale ermöglicht dem Benutzer durch die Aussendung codierter Signale sogar die automatische Weiterschaltung von Anrufen - z. B. zu einem drahtgebundenen Apparat — sowie einen Hinweisdienst, bei dem der Benutzer praktisch über einen Anruf-beanworter mit einer, vom Benutzer vorher aus einem Programm von vier verschiedenen Möglichkeiten auszuwählenden Ansage verfügt.

Eine Erhöhung des Bedienungskomforts beim Siemens-NMT-Telefonhörer konnten bei gleichzeitig geringer Masse von 230 g nur hochintegrierte Schaltungen sicherstellen.

Durch die Integration von Gabelschalter und notwendiger Elektronik im Bedienhörer ist eine Hörerauflage -wie sie bei handelsüblichen Geräten benötigt wird - nicht mehr notwendig. Deshalb kann das Autotelefon auch von außerhalb des Fahrzeugs, z. B. über Verlängerungskabel, bedient werden.

Einen weiteren Bedienungskomfort stellt die Möglichkeit der Speicherung von 35 bis zu sechzehnstelligen Kurzrufnummern dar, die über einfachen Tastendruck abgerufen werden können. Ein Telefonverzeichnis auf der Innenseite des Bedienhörers erleichtert das Auffinden der gewünschten Rufnummer.

Natürlich kann auch die zuletzt eingetastete Telefon-Nummer auf einfache Weise wiederholt werden, wenn z. B. der gewünschte Fernsprechan-schlufl besetzt ist. Ebenfalls kann die Zifferneingabe gesamt oder einzeln („cancel last entry") gelöscht werden.

NMT-System verfügt über 180 Kanäle

Der Funkteil des Autotelefons arbeitet im UHF-Bereich mit Frequenzsynthese und automatischer Steuerung. Es stehen 180 Kanäle zur Verfügung bei 25 kHz Kanalabstand und 10 MHz Sen-de-Empfangs-Abstand. Die Sendeleistung beträgt maximal 15 W mit einer automatischen Reduzierung auf 1,5 W je nach Funkfeldzustand. Nach Einschalten des Gerätes wird der übertragungstechnisch günstigere Anrufkanal ausgesucht, der durch ein bestimmtes Datentelegramm ortsgekennzeichnet ist. Die Überwachung der Gespräche erfolgt durch einen Pilotton, der auch die Umschaltung auf eine andere Station bei Unterschreitung eines bestimmten Feldstärke-Schwellwertes auslöst. Die Gespräche zum Autotelefon werden grundsätzlich zunächst zur Heimatzentrale des gerufenen Teilnehmers vermittelt und - bei Abwesenheit des Teilnehmers - zu dem in dieser Zentrale gespeicherten neuen Aufenthaltsbereich umgeschaltet. Dieses Verfahren funktioniert auch grenzüberschreitend in allen vier nordischen Ländern,

Bei der Entwicklung des Funkteils wurde großer Wert auf robuste Konstruktion, gute Wärmeableitung für unbegrenzte Sendezeit und gute Abschirmung gegen Umwelteinflüsse gelegt.

Die Forderungen der Postverwaltungen an die elektrischen Werte des Funkteils liegen weit über dem üblichen Niveau und waren nur durch Einsatz von modernster Schaltungstechnik zu erreichen.

Der Mikroprozessor erschließt neue Möglichkeiten

Im Steuerteil des NMT-Autotelefons werden alle wesentlichen Funktionen von einem Mikroprozessor ausgeführt. Durch diesen wird nicht nur der Funkteil angesteuert, der Bedienhörer überwacht und mit der Zentrale Informationsaustausch durchgeführt, wie es im Pflichtenteil der PTT festgelegt ist, sondern es werden auch noch weitere Funktionen ermöglicht.:

O Abspeichern von 35 Kurzrufnum-mern mit bis zu 16 Ziffern im batteriegepufferten RAM,

O Wiederholung der zuletzt gewählten Rufnummer,

O Löschen der zuletzt eingetippten Ziffer einer Rufnummer,

O elektronisches Codeschloß zum Sperren des gesamten abgehenden Verkehrs außer Kurzrufnummern und Notrufnummern.

O automatische Geräteabschaltung vier Stunden nach Ausschalten der Zündung,

O Speicherkontrolle und CPU-Kontrolle mit Quittung bei jedem Einschalten des Gerätes,

O implementiertes Diagnoseprogramm zum Auffinden defekter Module ohne speziellen Diagnosecomputer.

Modularer Zusammenhang bietet viele Vorteile

Im Steuerteil sind neben dem Mikroprozessor auch noch ein Datenmodem und ein Stromversorgungsteil untergebracht. Die einzelnen Module sind jeweils steckbar ausgeführt. Der Bedienhörer ist über eine Kabelsteckverbindung mit dem Steuerteil verbunden und dieses wiederum über eine Steckverbindung an das Funkteil angeschlossen. In Verbindung mit dem Diagnoseprogramm ermöglicht dieser Geräteaufbau ein rasches Auffinden und Beheben eines eventuell auftretenden Fehlers.

Bild 2. Der Funkteil kann abgesetzt und über eine Kabelverbindung zum Bedienhörer im Kofferraum installiert werden (Foto: Siemens)

Darüber hinaus ist der Transport des Teilnehmergerätes von einem Fahrzeug zu einem anderen oder in ein Wochenendhaus - ein derartiger Betriebsmodus ist in den nordischen Ländern erlaubt - durch Verwendung eines besonderen Montagerahmens für das Funkgerät sowie durch das beschriebene Bedienhörer-Konzept wesentlich erleichtert.

FFSK

zur sicheren Datenübertragung

Das NMT-Autotelefon steht mit der Zentrale über Datentelegramme in engem Konkakt. Auf diesem Weg werden Anrufe abgesetzt, Rufnummern übermittelt, Kanäle zugewiesen und die Sendeleistung gesteuert. Zur Sicherung dieser Datenübertragung wurde von der Post FFSK („fast frequency shift keying") mit einer Übertragungsgeschwindigkeit von 1200 Bd im Funkkanal mit 1200 Hz und 1800 Hz als Signalfrequenzen vorgeschrieben, d. h. die Bitumschaltung erfolgt immer im Nulldurchgang. Gegenüber dem üblichen FSK bietet FFSK bei 10 dB SINAD (Signal, Noise and Distortion] theoretisch eine um zwei Größenordnungen geringere Bitfehlerrate (Bild 3). Die PTT entwickelte für das Stockholmer Probenetz selbst ein Versuchsmodem, bei dem Bitfehlerraten von 10~3 bei 10 dB SINAD erreicht wurden. Auf der Grundlage dieser Messungen wurden die Forderungen für die Industrie festgesetzt.

Bei der Entwicklung des Datenmodems, das die Datentelegramme empfängt und absendet, erwies sich die Optimierung der Datensicherung als besonders schwierig. Durch Verwendung modernster Schaltungstechnik konnte eine Bitfehlerrate von 5 x 10~5 bei 10 dB SINAD erreicht werden. Dieses Ergebnis war um den Faktor 50 besser als die Forderung und liegt ziemlich nahe an der physikalischen Grenze.


Bild 3. Bitfehlerrate in Abhängigkeit von SIN AD.

Fading beim Fahren

Um die Datenübertragung gegen Fading zu sichern und damit die Anrufwahrscheinlichkeit zu erhöhen, werden alle Telegramme mit 100 % Redundanz nach einem speziellen fehlerkorrigierenden Code ausgesandt. Im NMT-Apparat decodiert der Mikroprozessor die empfangenen Telegramme und korrigiert eventuelle Fehler. Um ein effektives und optimales Decodie-rungsprogramm schreiben zu können, mußte die Fadingstruktur bekannt sein. Hierzu wurden zahlreiche Fahrten in unterschiedlichem Gelände durchgeführt, wobei die Fadingverteilung mit einem Spezial-Tonbandgerät registriert wurde. Solche Aufnahmen zeigen Rayleigh-Fading-Erscheinun-gen mit seinen raschen Einbrüchen und lognormales Fading mit seinen relativ langsamen Änderungen. Das erste entsteht durch Mehrwegeausbreitung der Radiowellen, das letztere wird durch die variierende Absorption der Radiowellen im Gelände bestimmt.

Um bei der Entwicklung unter reproduzierbaren Verhältnissen arbeiten zu können, wurde ein spezieller Fading-Simulator gebaut, der mit Hilfe der Tonbandaufnahmen gesteuert wurde. Er enthielt zusätzlich Sender, Empfänger und Komparator für Datentelegramme, wodurch die Anrufwahrscheinlichkeit direkt ermittelt werden konnte.







Bild 4. Laboraufbau

Eingebaute Service-Diagnose

Der Einsatz von Mikroprozessoren ergab auch Vorteile für den Servicefall. Durch Umlegen eines speziellen Schalters im Logikteil wird ein integriertes Serviceprogramm aktiviert, welches mit einfachen Hilfsmitteln die defekten Module anzeigt. Dabei dient der Bedienhörer im Servicemodus als Steuerungs- und Anzeigeterminal, ein spezieller Diagnosecomputer ist nicht notwendig. Das Serviceprogramm erleichtert auch, erheblich die Kontrolle nach dem Einbau des Autotelefons in das Fahrzeug.

Auch bei normalem Betriebsmodus wird nach jedem Einschalten des Autotelefons automatisch der interne Test der wichtigsten Funktionen des Gerätes durchgeführt, der bei fehlerfreiem Zustand mit einer kurzzeitigen Anzeige der eigenen Telefonnummer quittiert wird-

Der Mikroprozessor erschließt neben der Fehlersuche auch andere neue Möglichkeiten; Zubehör kann z.B. nach dem Baukastenprinzip hinzugekauft und einfach zugeschaltet werden. Die Zubehörprogramme realisieren stufenweise Freisprecheinrichtung, Fernalarmierung des Anrufes, 16stellige Extraanzeige, paralleler Bedienhörer, Gebührenanzeige und Datenübertragung. Eine Tragetasche für den Einsatz des Telefons im Boot und Ferienhaus steht in zwei verschiedenen Versionen zur Verfügung.

Zusammenfassung

Durch den Einsatz modernster Technologien und den sorgfältigen Einsatz erprobter Schaltungestechniken konnte ein Teilnehmergerät geschaffen werden, das dem Benutzer ein Maximum an Bedienungskomfort und Zuverlässigkeit bietet. Damit ist ein weiterer Schritt getan worden, der dem Bedürfnis des heutigen mobilen Menschen nach uneingeschränkten Kommunika-tionsmöglichkeiten auch unterwegs in vollem Umfang Rechnung trägt.

Stichworte zum Inhalt

Nordic Mobile Telephone (NMT), modularer Aufbau, Diagnoseprogramm. Bedienhörer, Kurzruf-nurnmern, 180 Kanäle, 25 kHz Kanalabstand, 10 MHz Sende/Empfangs-Abstand, 15/1,5 W Hf-Lei-stung. Mikroprozessorsteuerung, FFSK, Fading.


Funkschau 2/1982






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